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Pressemitteilung vom 07.07.2014

Datum: 07.07.2014

Kurzbeschreibung: Nächtlicher Sturz auf Tagung mit knapp 2 Promille Alkohol im Blut ist als Arbeitsunfall anzuerkennen

Der 58jährige Kläger K ist Betriebsrat bei einem internationalen Konzern mit Sitz in der Region Stuttgart. Im April 2010 fand in einem Hotel in Bad Kissingen eine dreitägige Betriebsräteversammlung statt. Diese dauerte am ersten Abend bis gegen 19:30h. Mit einem Blutalkoholspiegel von 1,99 Promille stürzte K in der Nacht gegen 1:00h im Treppenhaus des Tagungshotels, wo er mit Kopf- und Lungenverletzungen bewusstlos aufgefunden und gegen 4:00h in die Notaufnahme gebracht wurde. Anschließend war er längere Zeit arbeitsunfähig. Noch heute leidet er unter Schmerzen und Konzentrationsstörungen. Gegenüber seiner Berufsgenossenschaft (BG) gab K an, sich nicht mehr an den Unfallhergang erinnern zu können. Es sei auf der Tagung üblich, auch beim abendlichen geselligen Zusammensein unter Kollegen über betriebliche Belange zu sprechen.

Die BG lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab: So habe sich K zum Unfallzeitpunkt in alkoholisiertem Zustand befunden und nicht bewiesen, dass er dabei einer betrieblichen Tätigkeit nachgegangen sei.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg: Das Sozialgericht Heilbronn hat die BG verpflichtet, den Sturz auf der Tagung als Arbeitsunfall anzuerkennen. So habe K beim geselligen Beisammensein auch Dienstliches besprochen. Im Übrigen habe sich der Arbeitsunfall auf dem Rückweg zum Hotelzimmer ereignet. Dieser „Arbeitsweg“ sei hier selbst dann unfallversichert, wenn K im Hotel nach „Ende des offiziellen Teils“ nur private Gespräche geführt hätte. Denn bei beruflichen Tagungen sei regelmäßig eine klare Trennung zwischen privaten und betrieblichen Belangen nicht möglich. Der Versicherungsschutz sei auch nicht durch den Alkoholkonsum entfallen. So gebe es bei Fußgängern (anders als bei Autofahrern) keine feste Promillegrenze, ab der von einer absoluten Verkehrsuntüchtigkeit auszugehen sei. Die Ermittlungen der BG hätten hier aber keinen Anhaltspunkt für konkrete alkoholbedingte Ausfallerscheinungen gezeigt (wie z.B. ein schwankender, torkelnder Schritt). Demnach sei nicht nachgewiesen, dass der Unfall auf der - dem K nicht vertrauten - Hoteltreppe wesentlich auf die Alkoholisierung zurückzuführen ist.

Az.: S 6 U 1404/13  K. ./. Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse

(Urteil vom 28. Mai 2014, rechtskräftig). 

Hinweis zur Rechtslage:

§ 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch  [SGB VII] : 

(1) Arbeitsunfälle sind   Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2 (…)   begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich   begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem   Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. (…). 

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch 1. das   Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden   unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit, (…).

Die Anerkennung als   Arbeitsunfall hat weitreichende Folgen:

So hat die zuständige   Berufsgenossenschaft dem Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen u.a.   Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z.B. eine medizinische   Rehabilitationsmaßnahme oder eine Umschulung) zu erbringen,   Verletzten-/Übergangsgeld oder eine Verletztenrente zu zahlen.

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